Dr. Wilfried Ballaschk  - Rechtsanwalt

 

Rechtsfragen zum Überbau

 

Das Eigentum am Grundstück erstreckt sich

-       auf die Fläche des Grundstücks selbst,

-       auf den Raum über der Oberfläche und

-       auf den Boden unter der Oberfläche.

 

Ein Überbau liegt dann vor, wenn ein Gebäude die Grundstücksgrenze im Luftraum, auf dem Erdboden oder unter der Erdoberfläche überschreitet.

Der Überbau kann also ein Teil eines Gebäudes, eine Wand, eine Wärmedämmung, aber auch ein Erker, Dachvorsprung, Balkon, eine Mauerausbuchtung, eine geneigte Wand, ein Keller oder ein Fundament sein.

 

Grundsätzlich muss der Eigentümer eines Grundstücks die Verletzung seines Eigentums durch andere nicht dulden (§ 903 BGB). Die uneingeschränkte Anwendung dieses Grundsatzes kann jedoch zu nicht erwünschten wirtschaftlichen Folgen führen. Müsste in jedem Fall ein Überbau beseitigt werden, wäre dies in vielen Fällen mit einer beträchtlichen Wertvernichtung verbunden. Außerdem kann sich ein Überbau auch durch eine nach Errichtung eines Gebäudes vorgenommene Grundstücksteilung ergeben.

 

Zur Regelung solcher Verhältnisse und zur Vermeidung unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Härten hat der Gesetzgeber in §§ 912 ff. BGB Regeln geschaffen, die im Falle des Überbaus zu einem  Interessenausgleich zwischen den beteiligten Eigentümern führen sollen. Unter bestimmten Bedingungen muss der Grundstückseigentümer einen Überbau dulden.

 

Durch diese Regelungen wird auch der nach den allgemeinen Grundsätzen ( § 94 BGB) eintretende Eigentumserwerb des Grundstückseigentümers an dem Überbau (das Recht am Gebäude folgt dem Recht am Grundstück), und damit die Teilung des Eigentums an einem einheitlichen Gebäude verhindert. 

 

 

Wann besteht eine Duldungspflicht?

 

§ 912 BGB statuiert eine Duldungspflicht des durch den Überbau in seinen Eigentumsrechten verletzten Eigentümers für den Fall, dass

-       der Grundstücksnachbar bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze baut,

-       ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt

-       und der Grundstückseigentümer nicht vor der Überschreitung der Grenze oder

        sofort danach Widerspruch erhoben hat.

 

Besteht eine Duldungspflicht, dann dauert diese so lange, wie der Überbau existiert. Die Duldungspflicht bewirkt eine unmittelbar aus dem Gesetz folgende Beschränkung des Eigentums. Diese hat – ohne Eintragung im Grundbuch – dingliche Wirkung und trifft den jeweiligen Eigentümer, also auch einen Rechtsnachfolger oder Erwerber des Grundstücks. Der Überbauende, zu dessen Gunsten die Duldungspflicht besteht, hat (bei Überbau auf dem Erdboden) ein Recht zum Besitz der von dem Überbau betroffenen Grundstücksfläche. Er bleibt Eigentümer des gesamten Gebäudes. Daraus folgt auch das Recht zur Ausübung der Nachbarrechte, insbesondere des Hammerschlags- und Leiterrechts zur Vornahme notwendiger Instandhaltungen und Reparaturen.

 

Ist die Überbauung allerdings auf der Grundlage eines Mietvertrages erfolgt, so ist das Recht an diesen Vertrag gebunden. Auch ein Rechtsnachfolger ist an diesen Vertrag gebunden. Ein Käufer des Grundstücks wird Partner des Mietvertrages (Kauf bricht nicht Miete § 566 i.V.m.§ 578 BGB). Die Duldungspflicht und das Besitzrecht enden jedoch mit dem Ende des Mietvertrages.

 

Gestattet der Eigentümer des überbauten Grundstücks den Überbau, ohne dass ein Mietvertrag geschlossen wird, so schließt dies die Rechtswidrigkeit des Überbaus aus. Diese (auch mündlich mögliche) Zustimmung verpflichtet den Grundstückseigentümer zur Duldung und gibt dem Überbauenden das Recht, das Gebäude zu nutzen (BGH Urt. v.22.02.1974 – V ZR 103/73 -, BGH Urt. v. 16.01.2004 – V ZR 243/03 -, BGH Urt. v. 28.01.2011 – V ZR 147/10). Der Grundstückseigentümer, der den Überbau vorbehaltlos und unbefristet gestattet, muss diesen gem. § 912 BGB dulden. Bei einer mündlichen Zustimmung bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des Beweises. Den Beweis muss in diesem Fall der Überbauende führen, weil derjenige, der eine Handlung behauptet, die zu einer ihm günstige n Rechtsfolge führt, diese Handlung beweisen muss.

Hat der Grundstückseigentümer den Überbau gestattet, so ist auch dessen Rechtsnachfolger gebunden, weil er zumindest nach § 912 BGB zur Duldung des Überbaus verpflichtet ist (BGH, Urt. v. 28.01.2011 – V ZR 147/10).  

 

Die Duldungspflicht gilt auch für vor dem 03.10.1990 errichtete Überbauten (OLG Brandenburg, Urt. v. 22.05.2008 – 5 U 58/07-, BGH, Urt.v. 28.01.2011, V ZR 147/10).

 

 

Was ist ein Gebäude i.S.v. § 912 BGB?

 

Die Vorschriften gelten nur für einheitliche Bauwerke, die fest mit dem Erdboden verbunden, allseitig durch Wände und Dach verschlossen und den Eintritt von Menschen ermöglichen. Nach dem Sinn der Vorschrift des § 912 BGB  ist sie auch auf andere größere Bauwerke (z.B. Brücken) anwendbar.

 

Zäune, Mauern oder ein seitlich offener Carport erfüllen die Gebäudeeigenschaft nicht. Auch leicht versetzbare Gebäude, wie z.B. Gartenhäuser fallen nicht darunter.

 

Einige Nachbarrechtsgesetze der Länder gestatten den Überbau untergeordneter Bauteile in den Luftraum des Nachbargrundstücks, soweit dadurch die Benutzung des überbauten Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird (vgl. z.B. NRG Baden-Württemberg). Dies soll z.B. für Gesimse, Dachvorsprünge, Regenrinnen und Überdachungen von Eingängen und Terrassen gelten. Das OLG Karlsruhe hat jedoch in einer grenzüberschreitenden Wärmedämmung, die 15 cm in den Luftraum des Nachbarn ragte, kein untergeordnetes Bauteil gesehen und eine Duldungspflicht verneint (Urt. v. 29.12.2009, 6 U 121/09).

 

 

Was heißt „bei der Errichtung eines Gebäudes“?

 

Seinem Wortlaut nach betrifft das Gesetz die Fälle, in denen bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut wird. Hiernach wäre  die Vorschrift bei einer Grenzverletzung durch einen späteren Anbau nicht einschlägig.

Nach der Rechtsprechung des BGH enthält § 912 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken des nachbarrechtlichen Interessenausgleichs (BGH, Urt. v 19.09.2008 – V ZR 152/07-).

Daher wendet die Rechtsprechung die Vorschrift analog dann an, wenn bei nachträglicher Veränderung eines Gebäudes über die Grenze gebaut wird, z. B. bei der Errichtung eines Anbaus, der nicht beseitigt werden kann, ohne dass das zugehörige Gebäude eine Wertminderung erleidet, der Anbringung eines neuen Daches oder einer Wärmedämmung (OLG Köln, Urt. v 15.11. 2002 -19 U 75/02-).

 

Dies gilt allerdings nicht für leicht abtrennbare Gebäudeteile wie Markisen, Balkone, Fensterläden.

 

 

Überbau durch nachträgliche Wärmedämmung

 

Für die nachträgliche Wärmedämmung gelten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen Sonderregelungen. Die überbauende Wärmedämmung hat ein beträchtliches Konfliktpotential. Insbesondere bei schmalen Grundstücken kann schon ein relativ geringfügiger Überbau zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen. Bisher an der Grundstücksgrenze befindliche Grundstückseinrichtungen können nur noch erschwert benutzt werden, Wege an der Grenze werden eingeengt, der Lichteinfall wird beeinträchtigt u.a.m.

 

 

In Baden-Württemberg ist die ausführlichste Regelung getroffen. Dort regelt § 7c des Nachbarrechtsgesetzes eine Duldungspflicht. 

Die Benutzung des zu überbauenden Grundstücks darf nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt und eine zulässige beabsichtigte Nutzung des Grundstücks darf nicht oder nur geringfügig behindert werden.

Die Duldungspflicht ist ausgeschlossen, wenn die Anbringung einer Wärmedämmung mit zumindest entsprechender räumlicher Ausdehnung bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes üblich war.

 

 

In Bayern ist die Regelung in Art. 46a des AGBGB erfolgt.

Dort hat der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks die nachträgliche Wärmedämmung zu dulden, soweit und solange die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen und eine zulässige beabsichtigte Nutzung des Grundstücks nicht behindert und eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann.

 

 

Nach § 16a des Nachbarrechtsgesetzes von Berlin hat der Eigentümer eines Grundstücks die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.

Weitere Einzelheiten regelt das Berliner NachbG nicht.

 

 

Brandenburg hat die Duldungspflicht in § 19a des Nachbarrechtsgesetzes geregelt.

Voraussetzung ist  hier, dass eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann

und sie die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. 

 

 

Bremen hat in § 24 des AGBGB eine Regelung getroffen.  

Der Überbau durch nachträgliche Wärmedämmung ist dort zu dulden, wenn die Nutzung des Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt wird.

 

 

Gemäß § 10a Nachbarrechtsgesetzes Hessen haben der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks den Überbau durch Wärmedämmung zu dulden, wenn diese nicht über die gesetzlich vorgeschriebene Dämmung hinausgeht und die Benutzung des betroffenen Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt wird. 

 

Nach § 21a des Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes  darf  die Grenze durch eine nachträgliche Wärmedämmung höchstens um 25 cm überschritten werden. Die Benutzung des Grundstücks darf nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt und eine zulässige beabsichtigte Benutzung des Grundstücks nicht oder nur geringfügig behindert werden. Voraussetzung ist weiter, dass  eine ebenso wirksame Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist.

 

 

Nordrhein-Westfalen hat den nachträglichen Überbau zur Wärmedämmung in § 23a des Nachbarrechtsgesetzes geregelt.  Die Regelung entspricht inhaltlich der in Hessen. 

 

In Thüringen trifft § 14a des Nachbarrechtsgesetzes eine den Regelungen von Hessen und Niedersachsen vergleichbare Regelung. 

 

 

Urteile zu den besonderen nachbarrechtlichen Regelungen des Überbaus zum Zwecke der Wärmedämmung sind in einem gesonderten Unterpunkt dieser Webseite dargestellt.

 

 

Kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Überbauenden

 

Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig die Grenze des Nachbargrundstücks überbaut, wird nicht geschützt.

Grob fahrlässiges Handeln liegt nach der Rechtsprechung bereits dann vor, wenn der Grundstückseigentümer unmittelbar in Grenznähe baut und sich nicht fachkundig (z. B. durch Einschaltung eines Vermessungsingenieurs) davon überzeugt, dass eine Grenzverletzung ausgeschlossen ist (BGH, Urt. v 19.09.2003 – V ZR 360/02-). Grob fahrlässig kann auch die Errichtung eines Gebäudes bei unklarem Grenzverlauf sein, ohne dass zuvor der tatsächliche Verlauf der Grenze geklärt wird.

Die ausdrückliche Zustimmung des Eigentümers des überbauten Grundstücks schließt jegliches Verschulden (d.h. Vorsatz und Fahrlässigkeit) des Überbauenden aus.

 

 

Wer ist Berechtigter aus dem Überbau?

 

Die Duldungspflicht besteht, wenn der Eigentümer des Grundstücks den Überbau errichtet hat. Der Erbbauberechtigte ist dem Eigentümer gleichgestellt (§ 11 ErbbauRG). Der durch einen anderen dinglich Berechtigten (etwa Nießbraucher) oder durch einen schuldrechtlich Berechtigten (z.B. Mieter oder Pächter) eines Grundstücks errichtete Überbau muss nicht geduldet werden. Allerdings kann der Eigentümer der Errichtung durch solche Personen zustimmen. In diesem Fall gilt das Gebäude als seines und der Nachbar muss den Überbau ggf. dulden.

 

 

Wer ist zur Duldung verpflichtetet?

 

Duldungspflichtig ist der  Eigentümer des überbauten Grundstücks. Der Erbbauberechtigte und der Berechtigte aus einer Dienstbarkeit stehen dem Eigentümer gleich.

 

 

Voraussetzung: Keine weitere Rechtsverletzung über den Überbau hinaus

 

Der BGH verneinte in einem Fall, in dem der Überbau nicht den in dem betreffenden Bundesland geltenden Brandschutzvorschriften entsprach, die Duldungspflicht. Für den Fall, dass über die Grenzverletzung hinaus weitere Beeinträchtigungen wie z.B. durch Verletzung der Brandschutzvorschriften entstehen, besteht keine Duldungspflicht (BGH, Urt. v 22.09.1972 – V ZR 8/71-).

 

 

Widerspruch des Nachbarn

 

Wenn der Eigentümer des Nachbargrundstücks vor oder unmittelbar nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhebt, muss er die Grenzverletzung nicht dulden. Der Nachbar darf jedoch nicht warten, bis das Gebäude vollständig errichtet oder fertiggestellt ist. Die Erhebung des Widerspruchs muss so zeitig erfolgen, dass keine umfangreichen baulichen Maßnahmen erforderlich sind, um die begonnene Maßnahme rückgängig zu machen.

 

Auf die Kenntnis von der Grenzüberschreitung kommt es nicht an. Unterbleibt der Widerspruch, tritt die Duldungsverpflichtung von selbst und unwiderruflich ein, sofern die anderen Voraussetzungen vorliegen.

Es reicht allerdings, wenn der Nachbar – auch ohne dass er Kenntnis von einer Grenzüberschreitung hat - deutlich zum Ausdruck bringt, dass er mit der Errichtung des Gebäudes nicht einverstanden ist.  

Der Widerspruch kann auch auf einzelne Teile des Überbaus beschränkt werden.

 

 

Rechtsfolgen des zu duldenden Überbaus: Überbaurente, Abkauf

 

Der Überbauende hat an den Berechtigten eine angemessene Geldrente jährlich im Voraus zu entrichten (§§ 912, 913 BGB). Das Rentenrecht geht allen Rechten an dem belasteten Grundstück – auch den älteren- vor. Es entsteht kraft Gesetzes und erlischt – sofern nichts anderes vereinbart wird – nur mit der Beseitigung des Überbaus.

 

Außerdem kann der Rentenberechtigte jederzeit verlangen, dass der Überbauende ihm den überbauten Grundstücksteil abkauft (§ 915 BGB).

 

Der Anspruch auf Zahlung der Rente entsteht mit dem Überbau. Die Rente muss ggf. nachgezahlt werden. Hier ist zu beachten, dass der Anspruch auf Zahlung der Überbaurente den allgemeinen Vorschriften über die Verjährung unterliegt. Er verjährt in drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres,

-       in dem der Überbau errichtet wurde und

-       der Eigentümer des überbauten Grundstücks von der Überbauung Kenntnis erhält oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Unabhängig von der Kenntnis verjähren die Ansprüche spätestens nach 10 Jahren (§ 199 BGB).

 

Die Höhe der Rente bemisst sich nach dem Verkehrswert der überbauten Fläche im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung. Dieser ist angemessen zu verzinsen. Auch hier bestimmt sich die Angemessenheit nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Überbaus (angemessener Liegenschaftszins). Diese Verzinsung entspricht der Überbaurente. Spätere Änderungen des Wertes oder des Liegenschaftszinses haben keine Anpassung der Rente zur Folge.

 

Ist der Überbau vor dem 03.10.1990 im Gebiet der früheren DDR erfolgt, sind für die Bemessung der Überbaurente nicht die damals in der DDR geltenden Grundstückspreise maßgebend. Es gelten weder die Stopp-Preise, die nach den DDR-Vorschriften zu zahlen waren, noch die bei beginnenden Übergang zur Marktwirtschaft erzielten (uneinheitlichen und schwer zu ermittelnden) Bodenwerte. Vielmehr ist hier an den Bodenwert eines im gleichen Zustand und in vergleichbarer Lage belegenen Grundstücks in der alten Bundesrepublik anzuknüpfen (BGH Urt. v. 28.01.2011 –V ZR 147/10 -).

 

Hat der frühere Eigentümer dem Überbau zugestimmt und womöglich sogar auf eine Überbaurente verzichtet, ohne dass dieser Verzicht in das Grundbuch eingetragen wurde, so muss der Käufer des Grundstücks zwar den Überbau weiter dulden, er kann jedoch eine Überbaurente verlangen.  Die rein schuldrechtliche Vereinbarung des früheren Eigentümers über den Verzicht auf eine Überbaurente bindet ihn nicht (BGH Urt. v. 21.01.1983 - V ZR 154/81). 

 

Im Falle des Abkaufverlangens bestimmt sich der Kaufpreis nach dem Verkehrswert, den die überbaute Fläche im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung hatte. Spätere Wertänderungen sind nicht zu berücksichtigen. Der Verkehrswert zum Zeitpunkt des Abkaufverlangens spielt keine Rolle.

Hinsichtlich des Abkaufverlangens für einen vor dem 03.10.1990 Gebiet der früheren DDR erfolgten Überbau dürfte ebenfalls an die Grundstückswerte eines im gleichen Zustand und in vergleichbarer Lage belegenen Grundstücks in der alten Bundesrepublik anzuknüpfen sein.

 

 

 

Rechtsfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 912 BGB nicht vorliegen

 

Liegen die o.a. Voraussetzungen nicht vor, wird das Gebäude, soweit wie es auf dem fremden Grundstück errichtet ist, nicht Eigentum des Errichters. Es wird vielmehr nach § 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstückes, auf dem es errichtet ist (BGH, Urt. v. 30.04.1958 – V ZR 215/56-, Urt. v. 22.02.1974 – V ZR 103/73 - und Urt. v. 22.05.1981 – V ZR 102/80 -). An dem Gebäude besteht daher unterschiedliches Eigentum. Der Eigentümer des überbauten Grundstückes muss die Überbauung nicht dulden. Er kann mit dem auf seinem Grundstück errichteten Gebäude nach § 903 BGB nach Belieben verfahren (BGH, Urt. v. 28.01.2011 –V ZR 147/10 -). Der Überbauende hat kein Recht zur Nutzung des auf dem Nachbargrundstück befindlichen Teils des von ihm errichteten Gebäudes.

 

 

Beseitigungsverlangen, Herausgabeanspruch, Entschädigung für die Nutzung

 

Ist der Überbau nicht zu dulden, kann der Grundstückseigentümer dessen Beseitigung verlangen.

Nach § 1004 BGB hat der Eigentümer, dessen Eigentum beeinträchtigt wird (sofern er die Beeinträchtigung nicht nach anderen Vorschriften – z.B. nach § 912 BGB – dulden muss), einen Abwehranspruch. Er kann die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Muss der Eigentümer den Überbau nicht dulden, kann er daher dessen Beseitigung verlangen.

 

Dieser Anspruch unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 28.01.2011 - V ZR 147/10).

 

Wenn die Verjährung des Beseitigungsanspruchs eingetreten ist, ist der Eigentümer des überbauten Grundstücks jedoch nicht rechtlos. Der Anspruch auf Herausgabe seines Grundstücks verjährt nicht (§§ 985, 902 BGB). Auch wenn der Überbau vor dem 03.10.1990 im Gebiet der damaligen DDR errichtet wurde, ist der Herausgabeanspruch nicht verjährt. Auch nach dem ZGB der DDR sind Ansprüche aus im Grundbuch eingetragenen Rechten (hier das Eigentum) nicht verjährt.

Verlangt der Eigentümer die Herausgabe des Grundstücks, muss er die Wegnahme des auf seinem Grundstück errichteten Gebäudes dulden (§§ 997, 258 BGB, BGH, Urt. v. 26.02.1964 – V ZR 105/61 -). Er hat jedoch keinen Anspruch auf eine Beseitigung des Überbaus (BGH, Urt. v.16.03.2007 – V ZR 190/06 ). „Der Nachteil für den Eigentümer, der den Anspruch auf Beseitigung des Überbaus nach § 1004 Abs. 1 BGB verjähren lässt, besteht im Wesentlichen darin, dass er, wenn er den überbauten Teil des Grundstücks anders nutzen will und der Nachbar sein Wegnahmerecht nicht ausübt, selbst den auf seinem Grundstück befindlichen Teil des Gebäudes abzureißen hat“ (BGH V ZR 147/10).  

Ungeachtet der Verjährung des Beseitigungsanspruchs verbleibt dem Eigentümer des Grundstücks das Recht auf Herausgabe der durch den überbauenden Nachbarn gezogenen Nutzungen. Obschon in diesem Fall die Bestimmungen des § 913 (Überbaurente) nicht direkt anwendbar sind, kann derjenige, der rechtswidrig einen Überbau errichtet hat, nicht besser gestellt werden, als der rechtmäßige Überbauende. Die Herausgabe der Nutzungen wird daher mindestens dem entsprechen, was als Überbaurente bei einem rechtmäßigen Überbau zu zahlen wäre. Sofern der Überbauende darüber hinaus weitere Nutzungen erzielt hat (etwa durch Vermietung), wird der Grundstückseigentümer ggf. auch diese anteilig verlangen können. 

 

 

 

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